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Bomb-Jack


"Wo sind deine Eltern nochmal hin, Eddie?"
Eddie konnte die Frage von Markus kaum verstehen, die drei Mädchen, gackerten wie blöde, auf der gegenüber liegenden Couch. Auf der Anlage lief Cradle of Filth in voller Lautstärke und draußen ballerten Rick und Maik mit der Gaspistole vom Balkon. Hinzu kam, das draußen in der Nacht, der ganze Stadtteil damit begonnen hatte, die explosiven Silvestereinkäufe zu verbrauchen.
"Die sind bei Bekannten, feiern zu der Musik unserer Vorfahren und übernachten da, ich hab also sturmfreie Bude!" Anschließend sah er mit verstohlenem Blick rüber, zu den Mädchen. Als sie seinen Blick sahen, lachten sie allerdings sofort wieder los.
"Ist dein kleiner Bruder nicht zuhause?"
"Was?"
"Martin. Dein kleiner Bruder?"
Edward lachte, dann machte er ein erschrockenes Gesicht; "Scheiße, den hab ich ganz vergessen. Den muss ich nachher noch wieder aus der Toilette raus lassen. Der hat mich derartig genervt, mit seinem; Ich will mitkommen, nehm mich doch mit... - Da hab ich ihn im Klo eingesperrt. Aber der Vorleger ist schön flauschig und verdursten kann er auch nicht, ist ja ein Waschbecken da." Dann lachte Edward hämisch los und Markus lachte mit ihm.
"Der ist aber auch schon ganz schön groß geworden oder? Als ich ihn das letzte Mal gesehen hab', dachte ich noch, das du den nicht mehr lange schikanieren kannst, wenn der noch weiter wächst."
"War auch gar nicht so einfach, die Tür dicht zu bekommen. So groß wie ich, ist er ja schon, aber noch, bin ich der Herr im Haus!"
Plötzlich stand Sabine vor ihm und sagte: "Du hast deinen kleinen Bruder in der Silvesternacht im Klo eingesperrt? Du bist wiederlich!" Damit gab sie ihm eine kräftige Ohrfeige und ging erbost aus dem Zimmer.
Eddie sah ihr verdutzt hinterher und dann verwundert auf Markus: "Was hat die denn?"
"Keine Ahnung. - Scheiß drauf, da sitzen noch zwei."
Markus klopfte Eddie auf die Schulter und kippte erneut einen der Flachmänner von der Tankstelle in sich hinein. Eddie grinste zwar und lachte mit, aber Markus wusste genau, das er etwas für Sabine übrig hatte und insgeheim in sie verschossen war. Nachdem Michaela die Freundin von Kurt war, der ihn sowieso schon jede Woche, in der Schule verprügelte und Markus sich bereits angeregt mit Marie unterhielt, blieb für ihn ohnehin nichts mehr übrig.
Zwei Stunden später war es Mitternacht und die Knallerei ging los. Sie standen alle gemeinsam auf dem Balkon und warfen Böller, starteten Raketen und jeder wollte natürlich auch mal mit der Gaspistole schießen. Die Wohnung lag in der siebten Etage der Hochhaus-Siedlung, die von allen Manhattan genannt wurde und gehörte Ricks Eltern und auch die, waren bei Bekannten. Edward wollte nicht dabei sein, wenn die wieder kämen und ihre Bude so entdeckten.
Sabine hatte sich für den Rest der Nacht nur noch mit Maik unterhalten und selbst, als der auf seine schleimige Art, Annäherungsversuche machte, wies sie ihn nicht zurück. Edward konnte es nicht mit ansehen und jedes Mal wenn es ihm zuviel wurde, nahm er sich einen der Flachmänner. Als ihm das zu eklig wurde, entschloss er sich zu gehen.
Es war mittlerweile nach drei Uhr, Markus war im Schoß von Marie eingeschlafen, die ebenfalls schlief. Die Musik wummerte weiter, dumpf aus den Boxen. Rick und Michaela waren verschwunden und Sabine und Maik, schienen wunderbar ohne ihn auszukommen.
Während er sich im Flur seine Jacke und den Schal überzog, hörte er noch eindeutige Stöhngeräusche aus dem verschlossenen Schlafzimmer kommen.
Nachdem er nochmal kurz an der Tür lauschte, verließ er unbemerkt die Wohnung und ging in dem verkommenen Treppenhaus hinab nach draußen.
Bis auf selten noch aufklingende Böllerexplosionen, hatte sich eine dumpfe Ruhe über die Stadt gelegt und es war totenstill, in den verrauchten, dunklen Straßen. Der Weg nach Hause war noch lang und führte durch den Park und den Bahntunnel, aber inzwischen war niemand mehr unterwegs. Geld hatte er sowieso nicht viel dabei, falls man ihn ausrauben wollte, außerdem war ihm das egal.
Als er nach vorn sah, in die Jakobsallee, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Der Schwarzpulvernebel kroch durch die Straße und die Bäume an den Seiten wirkten, als würden sie nur darauf warten, sich auf ihn zu stürzen. Die Geschäfte die hier um den Bahnhof lagen, waren alle mit schweren Rollläden und Gittern verrammelt und weiter wohnte hier niemand. Wenn ihm hier etwas passieren würde, könnte ihn wohl nicht mal jemand schreien hören.
Innerlich verunsichert, versuchte er nach außen so sicher wie immer zu wirken und ging weiter, einem eisigen Wind entgegen.
Plötzlich hörte er in der Ferne einen Heuler ertönen und schrak zusammen. Zum Glück war das weit weg. Er ging weiter und erhöhte sein Schritttempo.
Als ihm die leere Coladose auffiel, die weiter vorne auf dem Gehweg stand, wusste er was er zu tun hatte. Natürlich trat er kräftig dagegen und hörte im gleichen Moment ein leises Platzen oder Knallen, ganz in der Nähe. Während die Dose noch über den Asphalt schepperte, hatte Eddie sich mit erschrockenem Gesicht umgedreht und überlegte, ob er fragen solle, ob da jemand wäre.
Nix da, dachte er. In den Horrorfilmen, war das immer das Dümmste was man machen könnte. Er drehte sich also wieder um und erhöhte abermals sein Schritttempo, während er glaubte, das Geräusch müsse wohl der Knaller, einer chinesische Knatterschnur gewesen sein. Während er die Straße überquerte und auf den Park zuging, sah er sich noch mal um, konnte aber niemanden sehen. Er sah dabei die Rufsäule für Taxis und fragte sich, ob er sich ein Taxi bestellen sollte. Da sein Geld dafür aber wohl kaum langte und der Fahrer ihn sicher für die geringe Strecke verflucht hätte, ließ er es bleiben. Außerdem war er bald erwachsen, da würde er ja wohl nicht vor ein paar lächerlichen Geräuschen in der Nacht, Angst haben. Trotzdem wurde es im Park noch mal um einiges dunkler. Er verfluchte die Stadt, weil sie hier keine Beleuchtung im Park aufgestellt hatte, andererseits war er wohl der Einzige, der um diese Zeit, dort hindurch wollte. Nach einem weiteren Umblicken, ertönte wieder einer, dieser winzigen, harmlosen Kracher, direkt cirka 30 Schritte hinter ihm.
Edward erstarrte und drehte sich um. So weit er seine Augen auch aufriss, konnte er kaum noch etwas erkennen. Hinten sah er noch den Bahnhof, aber um ihn herum, hatte ihn die Schwärze der Bäume, des Parks eingehüllt. Er verzichtete abermals darauf, in die Dunkelheit zu fragen und ging eiligen Schrittes weiter.
Nur wenige Sekunden später, kam von rechts ein infernalisch kreischender Heuler geflogen, landete gut fünf Schritte vor ihm auf dem Weg und scheuchte bizarre, gelb, rötlich leuchtende Schatten auf die Bäume, die ihn am Weg umgaben, bis der Pfeifer verstummte, erlosch und es wieder Schwarz wurde. Edward kniff die Beine zusammen. Es hatte nicht mehr viel gefehlt und er hätte sich vor Schreck in die Hose gemacht.
Bevor er dazu kam, darüber nachzudenken, was er als nächstes tun solle, hörte er einen Ast im Unterholz knacken, - wie er meinte, - irgendwo in weiterer Entfernung, rechts vor sich.
Er lief los und nahm den linken Abzweig. Es würde etwas länger dauern, aber er wäre schneller wieder raus aus dem Park. Inzwischen war es klar, das sich jemand einen üblen Scherz mit ihm erlaubte und er wollte gar nicht wissen, wie übel der Scherz noch werden sollte, weswegen er nun lief. Völlig ausser Atem, kam er am Ausgang des Parks an und war endlich wieder unter einer Strassenlaterne. Er blieb stehen, stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab und wollte erst einmal tief durchatmen. Im gleichen Moment flog ihm irgendetwas Zischendes, direkt zwischen die Füße. - Ein C-Böller -
Bevor er reagieren konnte, explodierte das Ding mit lautem Knall und jagte ihm die feinen, heißen Fetzen über das Gesicht.
Edward schrie auf und rannte weiter. Dabei blickte er ständig hinter sich, wo er aber niemanden entdecken konnte, doch irgendwer verfolgte ihn. Er kam zu der Unterführung, unter den Bahngleisen hindurch und lief keuchend weiter. Als er sich wieder umsah stolperte er. - Wie oft hatte seine Mutter ihm gesagt, er solle die Füße hoch heben beim Gehen? - Er landete unsanft auf dem Gesicht und schrammte mit der Handfläche über die raue Gehwegplatte. Ohne zu pausieren, sprang er blutend wieder hoch und sah über sich, im Bogen einen weiteren Böller fliegen, der vor ihm landete, knallte und hoch ging. Edward schrie kurz auf, hielt aber nicht an, - er lief weiter.
Er fühlte bereits, wie seine Beine nachgaben. Er brauchte dringen eine Verschnaufpause, doch schon hörte er wieder etwas hinter sich, in den Tunnelzugang fallen.
Der Schweiß schoß Eddie aus allen Poren, denn er wusste, was er geworfen hätte, wenn er dieses Spiel mit jemandem treiben würde.
Doch es war nicht nur Einer, sondern eine ganze Batterie von Knallfröschen, deren Lärm von den Tunnelwänden, um ein vielfaches verstärkt wurde. Edward hielt sich weinend die Ohren zu und lief weiter, den Ausgang, die Rampe hinauf. Oben angekommen, krallte er sich in das Geländer und stoppte.
Nun begann er zu zittern. Der Kerl hatte sich genau den richtigen Standpunkt ausgesucht, um sich vor Edward aufzustellen. Das Licht fiel von hinten auf ihn, so das seine Front gänzlich im schwarzen Schatten lag. Eddie sah wie der Kerl ein- und ausatmete, woran er erkannte, das der auch gelaufen sein musste, womit er sicher allein war. Doch das half ihm auch nicht. Der Kerl war riesig und es stand außer Zweifel, das es sich um einen Psychopathen handelte. Er hatte irgendetwas um den Kopf, was nicht genau auszumachen war. Was aber klar zu erkennen war, waren diese Schnüre die wie Rastalocken von seinem Kopf hingen, nur das es wohl viel zu viele waren, um tatsächlich Haare zu sein, zumindest hätte er solche Haare noch nie gesehen. Edward hatte keine Ahnung, wer das sein könnte. Er kannte niemanden von dieser imposanten Erscheinung, den er sich zum Feind gemacht haben könnte. Kurt aus der Schule, war ein knuffiger, kleinerer Kerl, der bald zweimal in die Figur hinein passte, die da in der Mitte der Straße jetzt vor ihm stand.
"Wer bist du? Was willst du von mir?"
Ein Funken leuchtete in seiner Hand auf und er hielt ein römisches Licht, ein Bombenrohr, direkt in Eddies Richtung.
"Scheiße!" Eddie drehte sich um und lief los, als schon die erste grüne Flammenkugel scharf an ihm vorbei schoß. Er brüllte wie am Spieß, doch hier in der Straße, mit der gigantischen Baugrube zur Linken und der stillgelegten Fabrik zur Rechten, hörte ihn 'eh niemand. Dann spürte er, wie etwas in seinem Rücken einschlug und schnell heiß wurde. Der Irre meinte es ernst, das war sicher.
Eddie zog die Jacke aus, als eine weitere blaue Flammenkugel ihn durch seine Füße hindurch, auf dem Asphalt überholte.
Er brüllte nun kurz hintereinander, immer wieder nach Hilfe, doch er war noch weit von den Wohnhäusern entfernt. Die verschiedenfarbigen Flammenkugeln sausten an ihm vorbei und einige trafen ihn, dessen Brände er schnell mit der Hand fortschlug. Als er sich umsah, sah er den Kerl stürzen. Sofort musste Eddie schadenfroh auflachen, lief aber dabei weiter. Der Kerl, bereits wieder in der Hocke, warf Eddie einige D-Böller hinterher, doch Eddie hielt nicht mehr an und die Explosionen verfehlten ihn. Er bog in seine Straße ein und lief wie für die Olympiade. Die Häuser sausten nur so an ihm vorbei und er lief die 37 Hausnummern, bis zu seinem Haus, mit der Nummer 83 durch. Er knallte das Tor hinter sich zu und kramte die Schlüßel aus seiner Hosentasche. Eddie schloß die Haustür auf, knallte die Tür zu, schob den Riegel vor und schloß zweimal ab. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und wollte nach Martin rufen, doch dann spürte er den kaum noch auszuhaltenden Druck auf seiner Blase. Bevor er Martin aus dem Klo im Ersten Stockwerk befreite, musste er das Gästeklo, hier unten benutzen.
Noch bevor er die Tür geschlossen hatte, war seine Hose unten. Deckel hoch und rauf setzen. Dann hörte er es unter sich zischen. Edward sah zwischen seine Beine, wo gerade der brennende Funke der Lunte, einer nach oben gerichteten Feuerwerksbatterie, mit Kanonenschlägen, im Körper der Box verschwand, welche die gesamte Toilettenschüßel ausfüllte. Noch bevor er aufschreien konnte, knallte das Paket los, fetzte ihm das Fleisch vom Körper, schleuderte es gegen die gekachelten Wände und zerriss ihn in Stücke.
Martin schloß das Tor leise, nahm sich die Maske vom Kopf und schnürte sich den Brustpanzer der alten Footballausrüstung seines Vaters los, den er unter dem Mantel voller Feuerwerkskörper getragen hatte. Er schloss den Riegel auf, das Türschloß und öffnete die Tür, wobei er noch den feuerfesten Schweißerhandschuh trug. Er sah noch einmal hinaus, in die nun stille Nacht und sagte mit grimmigen Blick und tiefer Stimme: "Jetzt bin ich der Herr im Haus!"
Dann knallte er die Tür zu, wie einen Sargdeckel aus Marmor, der aus zehn Metern Höhe hinab fiel.
Bevor er wieder hoch in sein Zimmer konnte, um Bomb Jack zu spielen, wie er von seinen Freunden auch, aufgrund seiner Liebe zu dem Spiel genannt wurde, musste er noch im Klo aufräumen und Edwards Reste in den Garten bringen, wo er den "Tatort" präpariert hatte. Dann würde er der Polizei etwas vorheulen, das Edward direkt in sein "Experiment" gestolpert sei. - Ein Kinderspiel!
Nun hatte er 365 Tage Zeit, um im Internet heraus zu finden, wie man sich echte Bomben bastelt, denn im nächsten Jahr zu Silvester, wollte er sowas unbedingt wieder machen. Zu Silvester fallen Opfer von Feuerwerkskörpern schließlich am wenigsten auf, oder?



(Thomas Adams 30.12.2010)