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Jeder Gedanke


Ich weiß nicht wo ich anfangen soll zu erzählen, was passiert ist, aber heute am Valentinstag, ist der Schmerz am Größten. Genau vor einem Jahr am Valentinstag, hat er mich verlassen. Noch ein Jahr davor, hat er mir den schönsten Tag meines Lebens geschenkt. Vor einem Jahr dann, erschien mir seine Stimme am Telefon bereits so komisch. Da war so ein Klang drin, als würde im Hintergrund ein unheimlicher, melancholischer Soundtrack, mit einem hallenden Klavier laufen, auf dem dir jede gespielte Taste, wie ein vertonter, eingeschlagener Sargnagel erscheint.
„Es ist einfach so! - Ich kann es nicht mehr. – Kann nicht mehr so weiter machen. – Ich habe jemand anderes gefunden, die ich einfach mehr liebe. – Es liegt ja nicht an dir. – Du bist eine wunderschöne Frau, aber die Chemie zwischen uns stimmt einfach nicht. – Es wird das Beste für uns beide sein.“
Es hat mich getroffen, wie ein Rammbock ins Gesicht. Jeder Satz, wie ein Schnitt ins Fleisch, von etwas...etwas unglaublich Scharfen.
Mir fiel am Telefon überhaupt nichts ein. In meinen Augen standen die Tränen und alles wurde taub. - Ich hatte nichts gemerkt. Für mich war alles wunderbar und die Chemie hätte nicht besser sein können, bis er mir sagte, das sie es nicht war. Mit jeder Sekunde die während des Telefonats verstrich, wurde mein Körper schwerer. Ich erwartete meinen Liebling, mein Ein und Alles, mit einem wunderbaren Geschenk für mich zum Valentinstag und bekam einen Anruf, der mir mitteilte, das Schluß war. – Aus! Vorbei!
Ich konnte, ...ich wollte es nicht glauben und musste es sehen.
Sie war dunkelblond und hatte diese langen Strähnen, im Wet-Look. Sie war verdammt schön. Ausgeprägte offene Augen, ebene Nase und diese vollen, weichen Lippen. Natürlich eine nahezu perfekte Oberweite und Figur. Lange Beine... und sie lachten. Das war das schlimmste! Er war glücklich und sie war glücklich und ich war unglücklich. Ich gehörte nicht dazu. Wie andere Frauen in so eine Szene hinein platzen können und ihrem Freund... vielleicht sollte ich besser Ex-Freund sagen, - eine Szene machen können, kann ich nicht nachvollziehen. Es hilft niemanden, wenn ich mich als schlechter Verlierer oute, wenn es doch so offensichtlich ist und ich würde keine Genugtuung empfinden, ihm sein Glas ins Gesicht zu kippen oder mit ihr eine Rauferei zu beginnen.
Jedenfalls war er das Erste an das ich heute Morgen nach dem Aufwachen dachte, obwohl ich natürlich versuchte nicht an ihn zu denken, doch das soll einem Mal gelingen.
Sieben Mal musste ich an ihn denken. – Woher ich das so genau weiß?
Ich kam ins Wohnzimmer, - dorthin, wo er mir den schönsten Tag meines Lebens geschenkt hatte. Dorthin, wo ich so oft lag und mein Gesicht in die Polster drückte, in der Hoffnung noch ein Gefühl oder einen Geruch, dieses wunderschönen Moments einzufangen, doch es kamen immer nur die Tränen. Heute waren sieben dünne Strahlen im Wohnzimmer, wie gespannte Nylonschnüre, die in Regenbogenfarben funkelten. Ich stand wie angewurzelt da und versuchte zu begreifen, was los war. Die Strahlen verliefen sporadisch, scheinbar ohne Sinn und Verstand, je von einer Wand, Decke oder Fußboden, zu einem anderen Ende des Zimmers und bildeten mit Sieben ihrer Art, schon ein schönes Wirr Warr. Glücklicherweise vertrieb das meine Gedanken an ihn, doch letzten Endes hat es mir doch nicht geholfen. Ich wollte untersuchen, was das für Objekte waren, bevor ich mir groß den Kopf darüber zerbrach wie sie in meine Wohnung kamen und suchte nach einer Befestigung in der Wand, wo ich aber nichts sah. Obwohl das Material schon sehr seltsam aussah, ging ich von etwas aus, das einer Nylonschnur ähneln müsste und wollte es anfassen, doch es schnitt sich durch meine Finger, als würden sie überhaupt keinen Widerstand darstellen. Ich schrie auf und die vier Stücke, landeten auf dem Teppich.
Jetzt wird es wichtig, wie die Strahlen angeordnet sind.
Ein Einziger zieht sich nämlich lediglich, tatsächlich quer durch den Raum, womit es sich eigentlich um den Unwichtigsten handelt. Ein Weiterer verläuft nämlich von der Decke zum Boden, knapp vor der linken Türhälfte entlang. Der Nächste, kommt ein Stück weit dahinter aus der Türschwelle und läuft quer nach rechts in den Raum zur Decke so das es mir nicht mehr möglich ist, durch die Tür zu gelangen, in das Badezimmer, in den Flur oder in die Küche, wo sich mein Erste Hilfe Kasten befindet. Den Notruf konnte ich auch nicht betätigen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich da schon so weit war Polizei oder Feuerwehr zu rufen. Verwunderlicher Weise sorgten zwei weitere der Strahlen nämlich dafür, das an das Telefon auch kein heran kommen war. Die übrigen beiden Strahlen, verliefen im oberen Teil des Raumes, wo sie mich erst mal nicht störten.
Ich ging zurück ins Schlafzimmer und verband mir die blutende Hand mit meinen Hemden. Um die Blutung zu stoppen, schnürte ich mir die Hand fest ab.
Dank der Wunde war ich ziemlich benommen, da mir Blut und offene Wunden immer den kalten Schweiß auf die Stirn treiben. Ich saß mit heftiger Atmung auf dem Bett und da schweiften meine Gedanken wieder zu ihm. Wie damals, als er mich gepflegt hatte, als ich krank war oder als ich gestürzt war, die Kopfwunde hatte und er mich mit seinem besorgten Gesicht ins Krankenhaus fuhr. Für einen kurzen Moment, hatte ich mich zurückgelegt ins Bett, mit dem Klumpen Hemdumwicklung um die Hand und gab mich der Erinnerung hin. Wo war er jetzt? Ich vermisste ihn so sehr, doch ich hatte dieses absurde Problem im Wohnzimmer.
Als ich wieder zurück ging ins Wohnzimmer, war ein achter Strahl hinzu gekommen. Ich stand wie erstarrt da und konnte es nicht fassen. Was zum Teufel war hier los?
Ich ging zurück ins Schlafzimmer, nahm das Metallrohr vom Staubsauger, baute es ab und kam damit zurück. Ich schlug mit Schwung gegen einen dieser Strahlen, doch ohne das ein Geräusch entstand oder eine andere nennenswerte Reaktion, wurde das Metallrohr an der Schnittstelle durchtrennt, als hätte man Papier von einem Samuraischwert spalten lassen.
Ich überlegte, was er in dieser Situation getan hätte, da er immer für jedes Problem eine souveräne Lösung zu haben schien, doch ehe ich auf eine Idee kam, was er wohl getan hätte, tauchte ein neunter Strahl auf, der mir einige Haare direkt vor meinem Gesicht abtrennte.
Panik machte sich so langsam in mir breit und zum ersten Mal kam mir der Gedanke, das meine Gedanken an ihn, unmittelbar mit dem Auftauchen dieser messerscharfen, dünnen Strahlen zu tun hatte.
Die Sonne schien nun durchs Fenster und ich erinnerte mich, wie wir den Ausflug auf die Bergwiesen machten, wie wir alberten und herumtollten. – Wir waren liebestrunken und machten Späße, die selbst kleinen Kindern zu albern waren. – Als ich wieder aufsah, war mir der Weg zum Schlafzimmer, von einem zehnten Strahl versperrt.
Das war ja mal wieder ein wunderbarer Valentinstag. Ich versuchte ruhig zu bleiben und meinte, es müsse ja eine Lösung geben, doch wie kann es für etwas eine Lösung geben, was gar nicht existieren sollte? – Was waren diese Strahlen? Waren sie ein Angriff von Außerirdischen, die unsere Empfindungen als Waffen gegen uns richteten?
Die einzige Möglichkeit die ich noch hatte, war laut um Hilfe zu schreien, obwohl ich bereits wusste, das es zum Scheitern verurteilt war. Figalls waren im Urlaub, Nemfert war bei der Arbeit und die alleinstehende Dame unter mir, war so schwerhörig, das sie nicht einmal eine Bombenexplosion hier oben bemerken würde. Trotzdem schrie ich einige Male, bevor mir einfiel, das ich das Fenster öffnen könnte. Inzwischen musste ich mich zwar bereits mit einiger Akrobatik dorthin kämpfen, aber ich könnte den Griff betätigen. Wenn ich es dann mit Schwung aufwerfen würde, müsste der Strahl, der davor hing, es zwar durchtrennen, aber es wäre offen und ich könnte nach draußen schreien.
Als ich mich nach hinten beugte, um unter dem Strahl hindurch zu tauchen, musste ich jedoch daran denken, wie sehr er meine Gelenkigkeit immer bewundert hatte und im gleichen Moment, tauchte der elfte, tödliche Strahl auf, der das Erreichen des Fensterhebels, in Verbindung mit den anderen Strahlstellungen unmöglich machte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Strahl, ...ein Gedanke an ihn, mich durchschneiden würde. Jetzt merkte ich, das ich am ganzen Leib schwitzte. Meine Sachen waren durchtränkt vom Schweiß. Eingesperrt in meinem Wohnzimmer, von meinen eigenen Gedanken, schrie ich so laut es meine Stimme hergab um Hilfe, doch niemand kam. Ich brach weinend zusammen, vor dem Couchtisch, immer bedacht darauf, nicht gegen den Strahl zu kommen, der direkt daneben verlief, doch in meiner Verzweiflung, schüttelte es mich so unkontrolliert, das meine Schulter kurz hinein reichte.
Sofort strömte das Blut aus der Wunde. Es war, als wäre der Teil meines Fleisches und meiner Haut, der mit dem Strahl in Berührung kam, einfach weggeätzt worden. Ab da konnte ich nicht mehr klar denken und Panik packte mich. Ich würde hier sterben in diesem Wahnsinn, - in diesem Albtraum, aus vergangener Liebe. Ich prügelte in Rage, heulend auf den Couchtisch ein, bis ich nicht mehr konnte.
Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt hatte, entdeckte ich diesen Block und schrieb alles nieder, was mir hier heute wiederfahren war, um nicht an ihn denken zu müssen. Mit der vorigen Zeile, die auch wieder eine Erinnerung brachte, erschienen allerdings weitere vier Strahlen, die mich zwingen, nun im Stehen zu schreiben und mir die Möglichkeit genommen haben, mich zu bewegen, ohne das mir anschließend wichtige Teile meiner Beine fehlen. Wahrscheinlich muss ich nur diesen Tag, ...diesen Valentinstag überstehen und morgen ist ein neuer Tag, an dem die Strahlen verschwunden sein werden.
Jeder Gedanke an ihn, ist scharf wie ein Rasiermesser. Jeder Gedanke an ihn, schnitt mir ein Jahr lang eine Wunde in mein Herz und nun auch in meinen Körper.

„Hier enden ihre Aufzeichnungen!“
Kriminalkommissar Ebert sah ratlos auf die scharf geschnittenen, verteilten Körperstücke der Frauenleiche hinab, die seit sechs Tagen auf dem Boden und der Couch verteilt lagen. Er blickte sich um und starrte genau auf die Wände und an die Decke des Zimmers, mit einem leicht ehrfürchtigen Blick.
„Können wir sie jetzt einsammeln?“
Ebert sah sich um, auf die wartenden Bestatter und nickte stumm.
Er war sich noch nicht ganz sicher, was er in seinen Bericht schreiben würde, doch das der Gerichtsmediziner vor Ort bereits festgestellt hatte, er hätte noch nie so ebene, glatte Schnitte gesehen, ließ seine Nackenhaare zu Berge stehen und er wollte nur noch raus hier. Seiner Frau hatte er einen Strauß Blumen zum Valentinstag mitgebracht. Auf jeden Fall besser, als das, was diese Frau bekam.



(Thomas Adams 12.2.2011)